Was es mit der neuen Forschungsgruppe HIVE auf sich hat, diesich beim 1. FH Mixed Reality Day präsentierte, verrieten uns dieLeiter im Interview.
Neue Möglichkeiten fürdie Zusammenarbeitvon IngenieurInnen mitAutoherstellern undZulieferern werden imProjekt DISMOSIM ent-wickelt. Foto: FH OÖ
Was steckt hinter HIVE?
Christian Jetter und Christoph Anthes: Gegründet wurde HIVE (HumanInterfaces and Virtual Environments) im Jänner 2019 um die ThemenMensch-Computer-Interaktion, Mixed Reality und Informationsvisualisie-rung in einer Forschungsgruppe miteinander zu verbinden, in der wirGrundlagenforschung auf internationalem Niveau mit angewandten In-dustrieprojekten kombinieren. Dafür brauchen wir nicht nur klassischeSoftwareentwicklerInnen, sondern auch DesignerInnen und ForscherIn-nen, die sich z. B. an Wahrnehmungspsychologie, Benutzerstudien undLaborexperimente herantrauen.
Woran wird aktuell gearbeitet?
Im COIN-Aufbau-Projekt USIVIS (Foto unten) kombinieren wir mit Kolleg-Innen der Fakultät in Steyr große Touchscreens mit mehreren Tablets,um BenutzerInnen eine möglichst natürliche Gruppenarbeit mit Ge-schäfts- oder Sensordaten in verschiedenen Arten von Datenvisualisie-rungen zu erlauben. Künftig werden wir solche Technologien auch fürgroße interaktive Wände zur Visualisierung von Netzwerken verwenden,die z. B. für die Autoindustrie oder den Einzelhandel wichtig sind.
Im COIN-Aufbau-Projekt DISMOSIM (Headerbild) arbeiten wir mit demHagenberger Studiengang Kommunikation, Wissen, Medien und der Fa-kultät in Wels zusammen. Es soll IngenieurInnen ermöglichen, dreidimen-sionale mechanische Modelle (z. B. von Fahrzeugen) an großen Touch-screens in verteilten Teams zu erstellen und simulieren, sodass sie dieErgebnisse gemeinsam visualisieren und diskutieren können. Das ermög-licht eine engere Zusammenarbeit zwischen Autohersteller und Zulieferer.
Im Projekt CalmAn visualisieren wir komplexe Daten in Virtual Reality. Wirnutzen die Vorteile von VR-Systemen, wie etwa das große Blickfeld unddie Möglichkeit intuitiv durch die Kopfbewegung beliebige Blickpunkte aufDatensätze anzunehmen, um Daten aus der Logistik und der Bioinforma-tik zu analysieren.
Arbeiten Studierende in HIVE mit?
Ohne sie läuft gar nichts. Unsere aktuellen Teammitglieder Judith Friedl,Fabian Pointecker, Sandro Schmid und Daniel Schwajda sind aus demStudiengang Human-Centered Computing (HCC) und schreiben ihreMasterarbeiten zu HIVE-Themen. Zuvor schrieb Christina Leitner (HCC)darüber, wie ein intuitives User Interface für die Visualisierung und Bear-beitung von dreidimensionalen Orthopädiescans aussehen soll, damit einregionales Start-up sein Scannerprodukt und dessen Software gestaltenkann.
Die Studierenden Cathrin Auer, Felix Kornthaler und Manuel Pils aus demMaster Software Engineering beschäftigten sich mit der Gestaltung, Pro-grammierung und Evaluation von interaktiven Visualisierungen von Sen-sordaten oder Karten, was für USIVIS relevant war.
Im Projekt USIVIS werden für möglichst natürliche Gruppenarbeit große Touchscreens mit mehreren Tabletskombiniert. Foto: FH OÖ
HIVE WORDRAP – TEIL 1
FH-Prof. Dr. Hans-Christian Jetter
Erster Berufswunsch: Astronaut
Erste Berührung mit dem Computer: Als Grundschü-ler sah ich Mitte der 80er ein Computerspiel auf ei-nem Schneider CPC 464 Heimcomputer mit Grün-monitor bei einer befreundeten Familie. Dann beimgroßen Bruder ein Commodore C64 und später einAmiga, auf denen ich nicht mehr nur spielte, son-dern in BASIC und Assembler Spiele und Grafikani-mationen programmieren wollte.
Lieblingsfach in der Schule: Geschichte und Physik
Ein IT-Studium habe ich deswegen absolviert: Weil ich lernen wollte, wie man Compu-tergrafik, -musik, -spiele programmiert und ich mein erstes Studium der Elektrotechnikwegen zu wenig Bezug zu Medientechnik abgebrochen hatte.
Spaß an der Arbeit bedeutet für mich: Wenn mich spannende Probleme, neue Techno-logien und clevere Teamplayer so faszinieren, dass ich alltägliche Ärgernisse vergesse.
Ein guter Arbeitstag beginnt für mich mit: Einem Kaffee und einer leeren E-Mail-Inbox.
Forschung bedeutet für mich: Sie ist der Grund warum ich Informatiker geworden binund die Gelegenheit, sich jeden Tag neuen Herausforderungen zu stellen und die Weltdamit vielleicht ein klein wenig zu verbessern.
Meine Forschungstätigkeit in einem Tweet erklärt: Ich gestalte neue Technologien, mitdenen der Mensch natürlicher mit Computern interagieren kann, und versuche zu ver-stehen, wie unterschiedliche Soft- und Hardware sich auf BenutzerInnen auswirken.
Woran ich gerade forsche: Human-Data Interaction, d.h. die verständliche, leicht be-dienbare Visualisierung von Daten und Datenmodellen für Teams mittels mobiler odersehr großer Displays sowie Virtual und Augmented Reality.
Das komplizierteste Wort in Zusammenhang mit meiner Forschung kurz erklärt: Frus-trated Total Internal Reflection Multi-Touch Detection: Eine kamera-basierte Technolo-gie, die es erlaubt, eine Vielzahl simultaner Fingerberührungen auf einer großen Glas-scheibe durch Ausnutzung eines physikalischen bzw. optischen Phänomens mit demComputer zu erkennen und als Eingabe zu verarbeiten.
Typisch ForscherIn? Dieses Vorurteil würde ich gern entkräften: InformatikforscherIn-nen haben kein Verständnis für reale wirtschaftliche oder gesellschaftliche Probleme,keine Empathie für andere Menschen und würden am liebsten alles mit Algorithmenautomatisieren. Wer so tickt, kommt in meinem Forschungsfeld nicht weit.
Christian Jetter machte seinen Bachelor, Master und Doktor in Information Engineeringbzw. Informatik an der Universität Konstanz in Deutschland. Nach Forschungsaufent-halten bei Microsoft Research Cambridge und bei Intel am University College Londonist er seit Januar 2015 Professor für User Experience und Interaktionsdesign am FH OÖCampus Hagenberg.
Foto: FH OÖ
HIVE WORDRAP – TEIL 2
FH-Prof. Dr. Christoph Anthes
Erster Berufswunsch: Spieleentwickler (analog oderdigital)
Erste Berührung mit dem Computer: Beim Nachbarnein Computerspiel auf dem Apple II, später wurdedann anstelle eines Schachcomputers ein C64 an-geschafft, auf dem mehr gespielt als entwickelt wur-de. Das Entwickeln folgte dann wenige Jahre daraufauf einem 286 PC.
Lieblingsfach in der Schule: Geschichte
Ein IT-Studium habe ich deswegen absolviert: Um weiter in die Grafik und Visualisie-rungsthemen einzutauchen. Die Bildgebenden Verfahren in der Medizin fand ich da-mals spannend, bin aber dann über vernetzte Mehrpersonenanwendungen bei der vir-tuellen Realität angekommen.
Spaß an der Arbeit bedeutet für mich: Neues entdecken und neues Wissen und neueWerkzeuge entwickeln.
Ein guter Arbeitstag beginnt für mich mit: Einem Kaffee und einer leeren E-Mail-Inbox.
Meine Forschungstätigkeit in einem Tweet erklärt: Ich beschäftige mich mit Problem-stellungen aus dem Augmented- und Virtual-Reality-Umfeld und dabei insbesonderemit Visualisierungsthemen in diesen Bereichen.
Woran ich gerade forsche: Immersive Datenanalyse, die Untersuchung von großen Da-tensätzen mit Hilfe von Virtual-Reality-Technologie. Aber auch an anderen Themen imMixed-Reality-Umfeld wie wahrnehmungsbasierten Optimierungen.
Das komplizierteste Wort in Zusammenhang mit meiner Forschung kurz erklärt: Akko-modations-Vergenz-Konflikt: Ein Problem, welches bei stereoskopischen Displays auf-tritt. Die Inwärtsbewegung der Augen (Vergenz) ist bei solchen Displays im Gegensatzzur Betrachtung von realen Objekten nicht synchron zur Krümmung der Linse (Akko-modation).
Typisch ForscherIn? Dieses Vorurteil würde ich gern entkräften: Dass Forschung nuraus Recherche besteht. Es erfordet auch einen enormen Anteil kreativen Denkens.
Christoph Anthes studierte an der Hochschule Trier in Deutschland Angewandte Infor-matik mit Anwendungsfach Medizin. Er ging im Anschluss an die University of Readingnach Großbritannien und promovierte schließlich an der Kepler Universität in Linz. Nachdem fünfjährigen Aufbau und der Leitung des Teams für virtuelle Realität und Visuali-sierung am Leibniz-Rechenzentrum in Garching ist er seit März 2017 Professor fürAugmentierte und Virtuelle Realität an der FH OÖ Campus Hagenberg.