Im „Human Centered Workplace for Industry“ wird an den Robotern der Zukunft gearbeitet. Foto: B. Plank – imbilde.at
Ob Kollaboration von Mensch und Maschine in der Produktion,die medizinischen Wirkungen pflanzlicher Inhaltsstoffe oder dieSimulation von Blitzschlag in einem hochmodernen Labor –Forschungsprojekte der FH OÖ in Wels sind am Puls der Zeitund liefern Antworten auf die aktuellsten Fragestellungen undProbleme.
Die FH Oberösterreich ist die forschungsstärkste FH des Landes, mehrals 45 Prozent der akquirierten Drittmittel für Forschung & Entwicklungstammen aus Wels. Im Jahr 2018 wurden hier nicht weniger als 210 For-schungsprojekte bearbeitet. Damit ist das Research Center des CampusWels unangefochtene Forschungsspitze. Es sind die großen Zukunftsthe-men, an denen derzeit über 170 wissenschaftliche MitarbeiterInnen so-wie ProfessorInnen und TechnikerInnen arbeiten: u.a. Automotive & Mo-bility, Smart Production, Energie, Lebensmitteltechnologie und Ernährung.Drei Beispiele zeigen applikationsorientierte Spitzenforschung in Wels anden Megatrends unserer Zeit.
Human Centered Workplace for Industry
Hand in Hand mit dem Roboter
In vielen Köpfen existiert das bedrohliche Bild von Robotern, die den Men-schen in der Produktion ersetzen und nutzlos machen. Die Digitalisierungvon Fertigungsprozessen und der Trend hin zur Mass Customization,also der Individualisierung von Produkten (zum Beispiel in der Autoindus-trie), schaffen aber eher ein Szenario der Zusammenarbeit von Menschund Maschine. In dem 1,5 Millionen Euro Forschungsprojekt „HumanCentered Workplace for Industry“ forschen zehn Wissenschaftler der FHOÖ in Wels, Hagenberg und Steyr an der Kollaboration von Robotern, Pro-duktionsmitarbeitern und digitalen Informationssystemen. „Assistenz-technologien helfen, die Menschen kognitiv zu entlasten und die Fehler-anfälligkeit zu reduzieren“, sagt Roman Froschauer, StudiengangsleiterRobotic Systems Engineering. Unterstützt wird dabei nach dem Motto„so viel wie nötig, so wenig wie möglich“.
Unterstützung und Überwachung
Es gibt inzwischen viele Assistenztechnologien am Markt, seien es Aug-mented Reality Brillen, Bildschirme mit Arbeitsanweisungen oder kollabo-rative Roboter. „Wir haben ein digitales Ökosystem entwickelt, das es Fir-men auch im KMU-Bereich kostengünstig ermöglicht, solche Assistenz-systeme in ihre Produktion zu integrieren“, erklärt Froschauer. Vorausset-zung dafür sind digital erfasste Arbeitsprozesse und -anweisungen, eineVorarbeit, die viele Firmen erst leisten müssen. Nur wenn das System diegenaue Abfolge der Arbeitsschritte kennt, kann der Workflow – auch zwi-schen Mensch und Maschine – funktionieren. „Man muss das Systemselbstlernend machen und mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen ver-sehen“, führt Froschauer aus. „Es lernt, wie gut ist ein Mitarbeiter, wo wirdAssistenz benötigt, welche Arbeitsschritte sind kritisch!“
Josef Ressel Zentrum für phytogene Wirkstoffforschung
Die geheimen Wirkungen der Pflanzen
Im neuen Josef Ressel Zentrum für phytogene Wirkstoffforschungforscht man an pflanzlichen Inhaltsstoffen und deren Auswirkungen aufdie Gesundheit von Mensch und Tier. Man schätzt, dass etwa 28.000 ver-schiedene Pflanzenarten medizinische Wirkungen aufweisen, aber nurein Bruchteil ihrer Wirkstoffe ist bekannt. Die Forschung im Josef ResselZentrum konzentriert sich unter anderem auf Futtermittel: Pflanzliche Zu-sätze helfen, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren und die Tierperfor-mance – u.a. das Wachstum – zu verbessern. Im Labor werden beste-hende Mischungen untersucht und erforscht, wie diese Zusätze und Pro-dukte funktionieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung vonTestsystemen. „Bisher musste man nicht nachweisen, warum ein Pro-dukt wirkt“, erklärt Zentrumsleiter Julian Weghuber, „aber der regulatori-sche Druck von der EU zur besseren Charakterisierung solcher Inhalts-stoffe wächst.“
Mit Pflanzen gegen Zivilisationskrankheiten
Bluthochdruck, hoher Blutzuckerspiegel, Fettleibigkeit, erhöhte Blutfett-werte ... diese riskante Kombination an Faktoren – auch metabolischesSyndrom genannt – ist in der Konsumgesellschaft weit verbreitet. Es gibtbereits viel Erfahrung mit pflanzlichen Mitteln in diesem Bereich, zumBeispiel Substanzen, die die Aufnahme von Zucker reduzieren oder dieFetteinlagerung verhindern. Auch hier versucht man im Ressel Zentrum,die Substanzen mit Hilfe von Zellmodellen zu charakterisieren und fest-zustellen, wie sie wirken. „Wir haben etwa die Wirkung von Extrakten ausGänseblümchen und Guavefrüchten auf den Glukosehaushalt untersuchtund herausgefunden, dass sie das Ansteigen des Blutzuckerspiegels re-duzieren“, berichtet Weghuber. Die Forschung ist für die nächsten fünfJahre finanziert, 1,5 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung.
Prüfanlage für Großspeicher der Zukunft
Energie aus Wind- und Sonnenkraft gewinnt immer mehr an Bedeutung.Doch diese im großen Stil zu speichern, um sie dann abzurufen, wenn siegebraucht wird – das beschäftigt die ForscherInnen noch. Beim grenz-überschreitenden Interreg Projekt CompStor (AB43) teilen sich Bayernund Oberösterreich die Arbeit auf: „Während man am TZE in Ruhstorf ander Batterietechnologie arbeitet, befassen wir uns in Wels mit der Frage,wie diese Speicher in Stromsysteme integriert und geschützt werdenkönnen“, berichtet Peter Zeller, Leiter des Forschungsprojekts in Wels. Zudiesem Zweck wurde in Wels um rund 2,2 Millionen Euro eine Prüfanlagemit einem Spitzenstrom von 100.000 Ampere und einer Blitzstoßspan-nung von einer Million Volt eingerichtet. „Wir testen, ob die Isolierung derBatterie in allen möglichen Betriebssituationen, wie z.B. bei Überspan-nungen ausreicht“, erklärt Zeller, „oder wir prüfen, ob Schutzgeräte auchwirklich den Kurzschlussstrom der Batterie zuverlässig unterbrechenkönnen!“ Das Ziel: ein elektrochemischer Hochspannungsspeicher, derdirekt an Hochspannung angeschlossen werden kann und Pumpspei-cherkraftwerke ersetzen kann.
Projekt mit positiven Nebeneffekten
Parallel zu dem Projekt, das vom Förderprogramm Interreg mit insge-samt 6,6 Millionen Euro gefördert wird, entstand in Wels der internationa-le Studiengang „Electrical Engineering“, dessen StudentInnen aktiv an derLösung des Speicherproblems mitarbeiteten. „Wir haben das Labor mitden Studierenden aufgebaut, von der Planung bis zum Löten“, erzähltZeller.
Auch wenn das Projekt CompStor derzeit reine Grundlagenforschung ist,soll rund um das Hochspannungslabor ein Kompetenzzentrum entste-hen. „Wir wollen die verschiedenen Player in der Elektrotechnik in Oberös-terreich bei uns zusammenschließen!“, erklärt Zeller das Vorhaben. Damitsollen im Labor in Wels auch die Geistesblitze einschlagen.