Der finanzstarke Investor Union Invest preschte EndeApril vor und kaufte nach monatelanger Investitions-pause um 137 Millionen Euro eine Immobilie in Stutt-gart. Justament ein in Bau befindliches Hotel. Damitsetzt der Hamburger Investor ein Zeichen. Aufatmen.Trotzdem zwickt es im Magen der Assetklasse Hotelnoch grauslich, und solange das mit dem Virus nichtrestlos verdaut ist, heißt es: kreativ werden.
Denn das Geld wird knapp. Hotelbetriebe müssen aufEigenkapital zurückgreifen, mit der Liquidität wird esimmer enger und klassische Banken trauen sich dasRisiko auch nicht zu. Selbst mit alternativen Finanzie-rungen wie Mezzanin-Kapital schaut’s schlecht aus.„Die Erfahrung und unsere Gespräche mit den Mezza-nin-Investoren zeigen, dass derzeit kaum Interesse anHotelfinanzierungen besteht. Vielen ist schlichtwegdie weitere Entwicklung der Pandemie und deren Aus-wirkung auf die Hotelbranche viel zu unsicher“, so Ge-org Stampfl, Geschäftsführer von Mezzalite, einer digi-talen Plattform zur Vermittlung von Mezzanin-Kapital.
Geht nicht? Sehr gut!
Wo andere sagen, das geht nicht, kommt Daniel Jelitz-ka ins Spiel. Über den eigens gegründeten JPI Hospita-lity Club will der Immobilienprofi mit Co-Investoren250 bis 300 Millionen Euro einsammeln und damit 10bis 14 Hotels in Europa aufkaufen. Solche, die ver-staubt sind, die nicht mehr können oder die die Ent-wicklung verschlafen haben. Günstig sollen sie jeden-falls sein, betreiberfrei, sehr gut gelegen und grund-sätzlich betriebsbereit. Nach dem Kauf werden sie „re-furbished“ und mit einem individuell-lifestyligen Kon-zept aufgemotzt. Mit einem Betreiber im Gepäck sollendie Häuser schließlich wieder mit sattem Gewinn ver-kauft werden. Da dürften nach Einschätzung Jelitzkasdann fünf bis sieben Jahre vergangen sein.
Mit der Blockchain zu mehr Eigenkapital
Ein anderer Rettungsanker für strudelnde Hotelskönnte die Digitalisierung sein, genauer gesagt die To-kenisierung. Vereinfacht ausgedrückt kaufen Anlegerin der ganzen Welt Anteile an dem Hotelbetrieb oderder Immobilie selbst – ähnlich wie bei Wertpapieren.Die technische Abwicklung erfolgt über eine Block-chain. „Die Zeiten, in denen Blockchain-Produkte auf-grund vermeintlich fehlender Regularien gemiedenwurden, sind spätestens seit Aufkommen der Tokenverschwunden. Es handelt sich bei Security Tokennämlich nach herrschender Ansicht um Wertpapiere,die einen – meist schuldrechtlichen – Anspruch gegen-über der emittierenden Gesellschaft verbriefen“, stelltChristoph Urbanek, Immobilienfinanzierungsexperteund Partner bei der Rechtsanwaltskanzlei DLA Piper,klar. Und mit Bitcoin hat das Ganze übrigens auch garnichts zu tun.
„Der Zweck der Tokenisierung einer Immobilie ist es,dem Eigentümer zu ermöglichen, sich jederzeit schnellund unkompliziert liquide Mittel durch die Ausgabevon Token zu beschaffen“, erklärt Thomas Reisenzahn,Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung.„Der Vorteil aus Sicht der Token-Käufer: Token sindunmittelbar und weltweit auf einer öffentlich zugängli-chen Plattform in sehr kleiner Stückelung handelbar.Man erwirbt einen Anspruch auf den Cashflow einerImmobilie.“ Gemeinsam mit der TPA Steuerberatung,Stadler Völkel Rechtsanwälte und SimplyTokenizedhat Prodinger ein eigenes österreichisches Beteili-gungsmodell entwickelt, die Token GmbH. In einerPresseaussendung spricht Prodinger davon, dass essich bei der GmbH-Vorgehensweise nicht um ein abs-traktes Modell, sondern um ein emotionales Projektmit vielen Spielarten handle, und zählt diverse Mög-lichkeiten auf, die auch aus dem Crowdfunding be-kannt sind: So könnte der Hotelier seinen Stammgäs-ten den Erstzugriff auf eine beschränkte Anzahl vonToken anbieten, den Tokenbesitzern/Investoren exklu-sive Vorteile zukommen lassen (zum Beispiel eine Sai-sonkarte, bessere Stornobedingungen, Rabatte beiPartnerbetrieben), sie in eine Clubmitgliedschaft oderein Treueprogramm integrieren. Er habe vor allemauch die Möglichkeit, Nachbarn, lokale Stakeholderoder vermögende Menschen mit Bezug zur Region oderdem Hotel einzubinden – gemäß der Idee: Kauf einStück deiner Heimat, hilf der lokalen Wirtschaft.
Kreativ geht immer
Und was, wenn die Hotelbranche doch länger leidet,das Virus nicht unter Kontrolle gebracht werden kann?Dann geraten auch die Developer unter Druck, wennsie die fertiggestellten Hotels nicht zu den geplantenPreisen verkaufen können. Dann muss kompliziert refi-nanziert werden, so Kristian Radosavljevic von AxianInvestment Partners: „Eine entsprechende Umstruktu-rierung der Objektfinanzierung nimmt den Liquiditäts-druck heraus und ermöglicht es den Entwicklern, dasjeweilige Objekt bis zum Ende der Krise in Bestand zubehalten.“ Für Daniel Jelitzka ist aber auch der Worst-Virus-Case kein Thema: Dann werden die Gebäudeeben keine Hotels, sondern umgenutzt, meint er. Auchdas kann Jelitzka prächtig, wie jeder weiß, der schoneinmal in seinem Büro in der Wiener Lehargasse war –einem Gebäude, das ab 1899 der k. u. k. Post- und Tele-grafendirektion als Telefonzentrale diente.
Rund ein Fünftel des St. Regis Hotels in Aspenwurde tokenisiert und virtuell vertscheppert. Dasbrachte 18 Millionen US-Dollar.
> Eigentümer übergeben den zutokenisierenden Anteil (zum Beispiel 10Prozent) einem Treuhänder (Rechtsanwalt).
> Token repräsentieren Eigenkapital:Anspruch auf die Gesellschafterstellungwird durch Eintragung in das DLT-Register/Blockchain aufgezeichnet.
> Die Gesellschaft emittiert Token gegenLeistung eines Zeichnungspreises.
> Der Treuhänder übernimmt gegenüberInvestoren die gesellschaftsrechtlicheÜbertragung der GmbH-Anteile, dieAusschüttung des jährlichen Ertrages unddie Wahrung der Gesellschafterrechte.
> Token sind frei übertragbar; es ist keinNotariatsakt notwendig.
> Der Eigentümer kann Token auch inmehreren Tranchen ausgeben.
> Die Prodinger Tourismusberatung prüftdie Hotelbetriebe betriebswirtschaftlich undvergibt eine Art Siegel. Damit soll derInvestor die Sicherheit bekommen, dass ineinen Betrieb mit Zukunft investiert wird.