Tipp #2
Was soll der Käufer beachten?
Neben der üblichen Prüfung des Grundbuchs und der Frage, ob das Gebäude – juristisch betrachtet – Bestandteil des Grundstücks oder ein – rechtlich gesondertes – Superädifikat ist (vgl. OGH 6 Ob 38/14b), lohnt sich ein Blick in den Altlastenatlas und Verdachtsflächenkataster, in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, in den Akt der Baubehörde oder zumindest in die Baubewilligung und die Benützungsbewilligung und in alle sonstigen relevanten Bescheide. Aus Sicht des Käufers ist eine Due-Diligence-Prüfung unter Beiziehung von Baufachleuten und Rechtsexperten sinnvoll, um Eigenschaften, die den Wert der Immobilie beeinträchtigen oder eventuell diese sogar mehr oder minder entwerten könnten, rechtzeitig zu entdecken. Zugleich wird der Käufer zum Beispiel das Entwicklungspotenzial der Immobilie (zum Beispiel die Ausbaufähigkeit des Dachbodens, die erzielbare Nutzfläche und die Tatsache, dass Mieter keine Rechte am Dachboden haben) richtig beurteilen wollen. Zur Kaufprüfung gehört auch die Analyse der vorhandenen Mietverträge und der darin enthaltenen Klauseln (zum Beispiel Weitergaberechte der Mieter, Kautionen) und des Standes der Hauptmietzinsreserve. Johannes Reich-Rohrwig hat ergänzend zur Analyse der Kaufverträge eine Befragung unter den Käufern durchgeführt: Von den befragten Käufern gaben 81 Prozent an, das Kaufobjekt geprüft zu haben – entweder selbst oder unter Beiziehung von fachlich versierten Mitarbeitern oder Fachleuten. In mehr als zwei Drittel dieser Fälle fiel die Due-Diligence-Prüfung umfangreich aus, in knapp einem Drittel der Fälle war sie weniger eingehend.
Gleichwohl kann es unliebsame Überraschungen geben, und dagegen sichert nur ein „guter“ Kaufvertrag ab. Der Verkäufer strebt naturgemäß eine Vertragsregelung an, die seine Haftung endgültig regelt und den Käufer nicht zum „Nachverhandeln“ mit juristischen Argumenten einlädt, also einen umfassenden und möglichst konkreten Haftungsausschluss. Zumindest sollte aus Sicht des Käufers ein nicht zu weit gehender Gewährleistungs- und Haftungsausschluss des Verkäufers vereinbart werden. Der Käufer wird bestrebt sein, sich für ihn wichtige Eigenschaften zusichern zu lassen. Oft liegt die Kunst der Vertragsformulierung im Detail. Bei den analysierten Verträgen, die allesamt in der Phase eines – auch weiterhin – boomenden Zinshausmarktes abgeschlossen wurden, zeigt sich, dass bei den Vertragsregelungen meist der Verkäufer die bessere Verhand- lungsposition hatte und die Oberhand behielt: Nahezu alle Kaufverträge (nämlich 86 Prozent) enthalten mehr oder minder umfassende Gewährleistungsausschlüsse, in 89 Prozent der Fälle sichert der Verkäufer allerdings bestimmte, näher definierte Eigenschaften des Zinshauses zu. Aus vielen Kaufverträgen (66 Prozent) ist ablesbar, dass die Vertragsparteien versuchten, auf die eine oder andere Weise eine Anfechtung wegen „Verkürzung über die Hälfte“ – d. h. eine Anfechtung für den Fall, dass der Wert der Gegenleistung nicht einmal die Hälfte der eigenen Leistung beträgt (§ 934 ABGB) – auszuschließen oder zumindest zu erschweren. Aber nur in 37 Prozent der Verträge wird die Möglichkeit, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten oder Preisanpassung zu verlangen, ausgeschlossen. Möchte der Verkäufer eine nachträgliche Anfechtung des Kaufvertrags durch den Käufer so weit wie möglich vermeiden, muss aber auch die Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen oder zumindest die dreijährige irrtumsrechtliche Verjährungsfrist vertraglich verkürzt werden. Von der Möglichkeit, die Verjährungsfrist vertraglich zu verkürzen, haben die Vertragspartner lediglich in zwei der untersuchten 600 Verträge Gebrauch gemacht.
Die beste Absicherung des Verkäufers ist allerdings, dem Käufer Mängel oder nachteilige Eigenschaften des Zinshauses offenzulegen und diese auch im Vertrag zu erwähnen. Auch ein Hinweis auf die „Sanierungsbedürftigkeit“ des Objekts schraubt die berechtigten Erwartungen des Käufers zurück, erst recht, wenn das Gebäude als „Abbruchobjekt“ bezeichnet wird. Und eines ist klar: Bei einem Jahrzehnte oder Jahrhunderte alten Zinshaus sind gewöhnliche Alters-, Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen des Gebäudes von der Gewährleistung sowieso nicht erfasst. Auch wird der Käufer meist nur den im Baujahr üblichen bautechnischen Standard erwarten dürfen.
Oft sollten Verkäufer dem Vertragsverfasser besser „auf die Finger schauen“ oder – wie man hier sagen müsste – „auf die Feder schauen“, also bei der Textierung kritisch mitdenken, damit der Vertrag für sie auch tatsächlich nicht durch unbedachte fehlende Regelungen dem Käufer Ansprüche ermöglicht, die eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Hier ist insbesondere an die Haftung für Schadenersatz und für Mangelfolgeschäden sowie aus der Verletzung von Aufklärungspflichten zu denken: Und hier zeigt die Analyse der Kaufverträge, dass die meisten Kaufverträge (98 Prozent) diese dem Käufer parallel zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht regeln und nicht ausschließen.
Und eines noch: Eine Haftung des Verkäufers wegen arglistiger Irreführung kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Falls der Kaufvertrag erwähnt, dass der Käufer die Möglichkeit hatte, den Kaufgegenstand eingehend zu besichtigen und unter Beiziehung von Fachleuten zu prüfen und „deshalb“ die Gewährleistung und Anfechtung oder Anpassung des Kaufvertrags wegen Irrtums ausgeschlossen wird (diese Formulierung findet sich in 3 Prozent der Fälle), so schränkt diese Formulierung die Reichweite des Gewährleistungs- und Anfech- tungsausschlusses auf solche Mängel ein, die bei der Besichtigung und ordnungsgemäßen Prüfung erkennbar waren. Der Gewährleistungsausschluss erstreckt sich bei einer solchen Formulierung nach der Judikatur nicht auf bei der Prüfung nicht erkennbare („versteckte“) Mängel (OGH RIS-Justiz RS0018555). Also ein aus Sicht des Verkäufers gerade nicht gewollter Effekt! Übrigens: Für den Käufer mag es von Interesse sein, dass nach der Judikatur allgemein gehaltene Gewährleistungsausschlüsse „im Zweifel einschränkend auszulegen“ sind (OGH RIS-Justiz).
Fazit: Der Verkäufer muss – wenn der Vertrag „wasserdicht“ sein soll – selbst daran interessiert sein, Mängel und nachteilige Eigenschaften, etwa vorhandene Baumängel, die wiederkehrend enormen Reparaturaufwand verursachen (vgl. OGH 1 Ob 183/00v), dem Käufer offenzulegen und seine Haftung dafür im Vertrag möglichst konkret auszuschließen. Zu guter Letzt will ich Ihnen die Aussage eines Käufers nicht vorenthalten: Der Käufer wies sehr lebensnah darauf hin, dass „gute und billige Immobilien, wenn der Kaufinteressent langwierig prüft, längst weg sind. Nur wer von raschem Entschluss ist, kauft billig, auch um den Preis, dass er auf diese Weise ein höheres Risiko trägt.“ Bei der Akquisition von Zinshäusern gilt es also, Geschwindigkeit und Rechtssicherheit gegeneinander abzuwägen. Am besten ist es natürlich, sie miteinander in Einklang zu bringen.