Der Online-Lebensmittelhandelsteht vor demDurchbruch
Das Virus ließ denLebensmittelhandel in dieHöhe schießen. Das Umfeld vonRetail- und Logistikimmobilienverändert sich dadurch nochrasanter, wie GastautorinJennifer Güleryüz berichtet.
Über Jahre lag der Online-Anteil im Lebensmittelhandelhierzulande bei lediglich 1 Prozent. Dann kam Covid-19und die Online-Lebensmittelverkäufe sind über Länder-grenzen hinweg stark gestiegen. In China haben die Liefe-rungen von Carrefour zum Neujahrsfest, das wenige Wo-chen nach Ausbruch der Epidemie stattfand, beispielswei-se um 600 Prozent zugenommen. Der chinesische Online-Händler JD.com verzeichnete allein in den ersten zehn Ta-gen des Monats Februar einen Anstieg der Online-Lebens-mittelverkäufe um 215 Prozent. In Europa sieht es nichtanders aus: In Italien oder Spanien ist bereits eine Ver-dopplung der Nutzer von E-Food zu beobachten, und auchin Deutschland sind die Umsätze im Online-Lebensmittel-handel im April um 127 Prozent gegenüber dem Vorjahrangestiegen.
Einer Befragung von Bitkom im April zufolge sind hierzu-lande 19 Prozent der Verbraucher neu zum Online-Le-bensmitteleinkauf übergegangen. Detail Online geht da-von aus, dass es sich bei bis zu 60 Prozent der Kunden umeine langfristige Verhaltensänderung handelt. Je längerdie Pandemie anhält, desto größer dürfte dieser Gewöh-nungseffekt ausfallen, zumal der Online-Handel ange-sichts wohl noch für lange Zeit geltender Abstands- undHygieneregeln im stationären Handel gleich noch beque-mer erscheint als ohnehin schon.
Aldi testet Lieferservices
Entscheidend wird sein, wie schnell die Anbieter ihre Ka-pazitäten aufstocken und Neukunden bedienen können.Denn der Ersteinstieg gilt als größte Hürde, und momen-tan machen viele willige Online- Käufer die Erfahrung,dass die Händler an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßensind und keine Lieferfenster mehr anbieten können. Siewerden aber mit einer gewissen Verzögerung in der Lagesein, ihre Kapazitäten im notwendigen Umfang auszuwei-ten. Während der Anbieter picnic jede Woche 50 neueMitarbeiter einstellt, ergreifen manche Händler kreativeLösungsansätze: Aldi testet in Großbritannien beispiels-weise die Auslieferung von Lebensmitteln in Kooperationmit Deliveroo, Netto probiert einen Abholservice aus undRewe eröffnet Hunderte Click & Collect Pop-up-Stationen.Nicht nur die Lebensmitteleinzelhändler, auch die Immo-bilienakteure sollten sich auf diese Entwicklungen ein-stellen. So werden Supermärkte teilweise zu City-Lager-flächen, Abholstationen werden benötigt und auch Drive-in-Schalter wie bei den Fast-Food-Anbietern dürften ins-besondere in Stadtrandlagen an viel befahrenen Straßenzur Normalität
Jennifer Güleryüz arbeitet in derResearch-Abteilung bei Savills inBerlin. Ihre These zur Entwicklungdes Online-Handels ist Teil einerHypothesensammlung, die in einerKooperation zwischen der EBSUniversität für Wirtschaft undRecht und Savills unter dem Titel„Covid-19-Pandemie:Langfristimplikationen für dieImmobilienmärkte“ erstellt wurde.