DMAA (Delugan MeisslAssociated Architects) isteines der wenigenösterreichischenUnternehmen, das an derTransformation Chinaspartizipiert. Das Büro hatzum Beispiel die Pläne zurUmwandlung einesKohleabbaugebiets zu einemLandschaftspark entworfen.
Die Gastautoren Tobias Just und Bing Wang plädierendafür, dass Immobilienprofessionals mehr über ChinasMärkte lernen sollten.
China ist gewaltig: Auf 10 Millionen Quadratkilometernleben 1,4 Milliarden Menschen und davon über 850 Mil-lionen in Städten. Die Hälfte dieser Stadtbevölkerungwohnt in einer der etwa 130 Millionenstädte. Es gibt al-lein 30 Metropolen, die größer sind als Berlin. Tatsächlichzählt allein Shanghai sieben Mal mehr Einwohner alsBerlin und ist seit dem Jahr 2000 um dreieinhalb „Berlins“gewachsen. Gerade der Urbanisierungsprozess der letz-ten vier Jahrzehnte ist schwindelerregend: Die Zahl derEinwohner in den gut 400 chinesischen Städten, für dieim World Urbanization Prospects der UN Daten verfügbarsind, hat sich seit 1970 im Durchschnitt verdreizehnfacht,in Dongguan ist die Bevölkerungszahl in dieser Zeit nahe-zu um den Faktor 60 gestiegen und in Shenzhen um denFaktor 350. Gemäß geläufigen Prognosen, zum Beispielder United Nations, ist allenfalls eine Verlangsamung derDynamik, aber noch lange keine Grenze der Entwicklungerreicht.
Riskante Ignoranz
Für Immobilienmarktprofessionals und Immobiliemarkt-forscher bietet China sehr viele Untersuchungsfragen undwahrscheinlich auch sehr viele Geschäftsmöglichkeiten.
Dies war der zentrale Grund, warum wir vor vielen Jahrenbegannen, uns intensiv mit Chinas Immobilienmärktenzu beschäftigen und vor allem den Sammelband „Under-standing China’s Real Estate Markets“ Anfang 2021 zupublizieren. Einen so großen Markt zu ignorieren dürfteriskanter sein, als über diesen zu lernen. Richtig ist, Chi-nas Märkte, und damit auch die Immobilienmärkte, un-terliegen einer Vielzahl strikter Regeln, die zudem sehrhäufig geändert werden. Tatsächlich spielen Cross-Bor-der-Immobilientransaktionen in China weiterhin einegroße Rolle, eher für institutionelles als privates Kapital.Das Analysehaus RCA weist sogar einen steigenden An-teil der Cross-Border-Investments an allen Immobilien-transaktionen aus, und dies dürfte die Entwicklung so-gar aufgrund der Schwierigkeit, alle Transaktionen zuerfassen, eher unterschätzen. Gerade weil sich der regu-latorische Rahmen für Immobilientransaktionen in Chi-na mitunter schnell ändert, lohnt die genaue und stetigeAnalyse.
Wir sind davon überzeugt, dass aus mindestens den fol-genden fünf Gründen die Beschäftigung mit dem Gesche-hen auf chinesischen Immobilienmärkten lohnt:
Wenn sich 1,4 Milliarden
Menschen auf den Wegmachen, um über
wirtschaftlicheAktivitäten Wohlstandaufzubauen, dannentstehen sehr vieleIdeen.
TOO BIG
TO IGNORE
Erstens, die chinesische Wirtschaft ist zugroß und zu eng in die internationale Ar-beitsteilung integriert, heftige Umschwüngeauf möglicherweise überbewerteten Teil-märkten blieben nicht allein ein chinesi-sches Problem. Auch der massive Rückgangder aus China herausgehenden Immobilien-investitionen seit 2017 könnte unanalysiertfür den einen oder anderen westlichenMarktteilnehmer unangenehme Überra-schungen bedeutet haben.
1.
Buch füllt Lücke
Mit unserem Sammelband zum chinesischen Immobilien-markt möchten wir einen kleinen Beitrag leisten, umnicht nur diese Lücke in der akademischen Ausbildungund Forschung etwas zu schließen, sondern vor allem, umden genannten fünf guten Gründen, warum es sich für Im-mobilienprofessionals lohnt, sich mit den chinesischenImmobilienmärkten zu beschäftigen, neue Nahrung zu ge-ben. Die Autoren zeigen makro- und regionalökonomi-sche Entwicklungen auf, kennzeichnen die zentralen-rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmen, beschreibendie verbesserte Datenlandschaft, analysieren die Finan-zierungs- und Investmentmärkte und skizzieren Entwick-lungen für einzelne Assetklassen. Dies sind sicherlich nurkleine Schritte auf einer langen Reise, doch wenn dieseSchritte helfen, dass sich mehr Professionals, Analystenund Akademiker mit den chinesischen Immobilienmärk-ten beschäftigen, dann sind wir zufrieden, da jede Reisein Gemeinschaft interessanter und unterhaltsamer ist.
2.
Egal ob es
Investitionen gibt
Zweitens profitieren US-amerikanische undeuropäische Ingenieure, Zulieferer, Archi-tekten, Stadtplaner, Bauprozessmanager,Investmentberater und Finanzdienstleisterauch dann von der Dynamik auf den chinesi-schen Immobilienmärkten, wenn dasCross-Border-Investmentgeschäftschrumpfen würde. Es gibt folglich mannig-faltige indirekte Möglichkeiten, von der Ent-wicklung zu profitieren. Außerdem gibt esKapitalmarktprodukte, die direkt (zum Bei-spiel als REIT) oder indirekt (siehe zum Bei-spiel die oben skizzierten Dienstleister) andem Immobilienmarktgeschehen in Chinahängen.
Zuletzt ging DMAA mit seinem Ent-wurf für den Expo Cultural Park inShanghai als Sieger hervor. Die Stadterrichtet auf dem riesigen ehemaligenEXPO-Gelände in zentraler Lage eineNaherholungszone. In dem als Null-Energiehaus konzipierten Hauptge-bäude können die Besucher die unter-schiedlichen Klima- und Vegetations-zonen des Planeten erfahren.
3.
IT’S
PEOPLE’S
BUSINESS
Drittens: real estate is people’s business.Diese Binsenweisheit gilt auch für China,vielleicht sogar noch stärker als in Europaoder den USA. Persönliche Beziehungenwerden nicht über Nacht geknüpft. Wer sichauf eine Zeit weiterer Öffnungen vorbereitenmöchte – auch wenn die Planung keines-wegs sicher ist –, muss früh mit dem Aufbauvon Beziehungen beginnen.
über die
autoren
Tobias Just ist WissenschaftlicherLeiter und Geschäftsführer der IREBSImmobilienakademie und Lehrstuhl-inhaber für Immobilienwirtschaft ander Universität Regensburg.
Bing Wang ist Associate Professor inPractice of Real Estate and the BuiltEnvironment an der Harvard Universi-ty Graduate School of Design (GSD).
Es bieten sich
viele Unter-
suchungsfragenund wahrschein-lich auch sehr
viele Geschäfts-möglichkeiten.
UnderstandingChina’s Real
Estate Markets
Development, Finance, andInvestment
Second Edition
Bing Wang,
Tobias Just (Hrsg.)
Springer,
ISBN 978-3-030-49032-4
WIR KÖNNEN
LERNEN
Viertens, wenn sich 1,4 Milliarden Menschenauf den Weg machen, um über wirtschaftli-che Aktivitäten Wohlstand aufzubauen, dannentstehen sehr viele Ideen. Unsere Kindernutzen TikTok, wir bestellen vielleicht schonbei Alibaba Waren, und in vielen Einzelhan-delsgeschäften kann mit Alipay bezahlt wer-den. Wir sollten als Immobilienprofessio-nals die Offenheit mitbringen, wenigstens zuschauen, was wir von chinesischen Archi-tekten, Stadtplanern und Asset Managernlernen können. Manche Dinge lassen sichmit Sicherheit auch in Europa und den USAimplementieren.
4.
FORSCHUNG
HINKT HINTERHER
Der fünfte Punkt gilt gerade auch für die akademische Forschung und Ausbil-dung: Graeme Newell hat in einem aktuellen Artikel im Journal of Property In-vestment and Finance zu Recht gefordert, dass den asiatischen Immobilien-märkten mehr Beachtung in akademischen Publikationen geschenkt wird. Erbezieht dies zwar nicht ausschließlich, aber auch auf China. Um diesen For-schungsrückstand zu illustrieren, haben wir uns die Publikationen in einer Aus-wahl führender immobilienwirtschaftlicher Zeitschriften etwas genauer ange-schaut (diese Zeitschriften waren: Real Estate Economics, The Journal of RealEstate Finance and Economics, Journal of Property Investment and Finance,Journal of Real Estate Research und das Pacific Rim Property Research Jour-nal): Von den 507 Beiträgen, die seit 2018 in diesen Journals publiziert wurden,hatten nicht einmal 4 Prozent der Artikel einen Bezug zu China, aber immerhinfast 9 Prozent wurden von mindestens einem Co-Autor einer chinesischenHochschule verfasst. Selbst wenn wir die Artikel zu Hongkong respektive vonForschern aus Hongkong hinzurechnen, liegt der Anteil deutlich unterhalb desAnteils, den beispielsweise die chinesische Wirtschaft an der Weltwirtschafteinnimmt; dieser Anteil (inklusive Hongkong) liegt nämlich gemäß Daten derWeltbank in laufenden US-Dollar bei fast 17 Prozent.